LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON \"Jobeinstieg als Bachelor\" am 18.11.2010

Wie stehen meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit einem Bachelor-Abschluss?

  • Marc-Stefan Brodbeck (Deutsche Telekom), seit 2008 Leiter des Bereichs Recruiting & Talent Services (RTS), der als Shared Service Center das Personalmarketing, das Recruiting und die Personalauswahl für den gesamten Konzern bündelt: Bei uns sind die Einstiegschancen sehr gut. Weil die Klagen über die Bologna-Reform immer lauter wurden, haben wir gehandelt und das Recruiting, die wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung, die Einstiegsprogramme, die Personalentwicklung und die Vergütung konsequent auf die neue Studienstruktur ausgerichtet. Wir stehen also hinter dem Bachelor, denn innerhalb dieser Ausbildung werden die Studierenden in kurzer Zeit für einen Beruf befähigt. Wir haben unsere Einstiegsprogramme "Jump in! " und "Start up!" auf die neue Studienordnung zugeschnitten und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass heutige Absolventen jünger sind, daher noch Raum benötigen, um insgesamt reifer zu werden.

 

 
 

 

 

 

 

Was bedeutet es für Bewerber, wenn ein Unternehmen mit "Bachelor Welcome" wirbt?

  • Marc-Stefan Brodbeck: "Bachelor Welcome" sagen wir als Unternehmen nicht leichtfertig dahin - wir haben etwas dafür getan, damit sich Bachelor-Absolventen bei uns wohl fühlen. Mit der Initiative Bologna@Telekom haben wir unsere Personalprozesse an den Zielen der Bildungsreform ausgerichtet und in entsprechende Karrierepfade umgesetzt. Die Einstiegsangebote richten sich daher sowohl an Bachelor- als auch an Master-Absolventen, sei es als "Jump in!" oder im Fall der High Potentials - also der Master-Absolventen - als "Start up!". Grundsätzlich ist der Abschluss nicht mehr das wichtigste Kriterium für uns, es zählen vielmehr Kompetenz, Erfahrungen und vor allem die Persönlichkeit der Bewerber.

Jetzt habe ich den Bachelor in der Tasche und möchte eigentlich am liebsten arbeiten gehen. Meine Eltern drängen mich aber, den Master zu machen. Brauche ich den überhaupt?

  • Marc-Stefan Brodbeck: Bei uns herrscht wie bei vielen anderen Unternehmen die Einstellung, dass wir Menschen beschäftigen, keine Abschlüsse. Dass jemand einen Master-Abschluss hat, heißt grundsätzlich nicht, dass er mehr Talent hat. Der Master ist also kein Muss für den Einstieg, es ist ja der Charme der Bologna-Reform, dass man ihn immer noch berufsbegleitend machen kann. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter dabei finanziell und zeigen uns auch mit den Arbeitszeiten flexibel. Aus meiner Sicht spricht viel dafür, dass Sie ausreichend Erfahrungen in der Praxis sammeln sollten - und dann beurteilen, ob für Sie ein Master oder eher eine zielgerichtete Entwicklung "on the job" der richtige Weg ist.

Gibt es spezielle Einstiegsprogramme, mit denen Firmen ausschließlich Bachelor-Absolventen ansprechen?

  • Sehnaz Oezden (Continental) leitet das globale konzernweite Employer Branding & Recruiting in Hannover und stellt die strategischen Weichen für die besondere Position des Autozulieferers auf dem Arbeitsmarkt. Sie war über lange Jahre aktiv bei der internationalen Studentenorganisation AIESEC und Vorstandssprecherin der deutschen Alumniorganisation AAG e.V.: Bei ihren Einstiegsprogrammen haben Firmen meist alle Berufseinsteiger im Blick, und nicht nur die Bachelor-Absolventen. Wir bieten momentan noch kein spezielles Programm an und planen bisher auch nicht in diese Richtung. Vielmehr versuchen wir die Einsteiger, ob nun Bachelor- oder Master-Absolventen, durch Trainings auf die Herausforderungen im Beruf vorzubereiten.

Ich bin mir nicht sicher, was besser ist: schnell fertig zu studieren, oder Praktika zu machen und dadurch möglicherweise ein Semester zu verlieren. Was raten Sie?

  • Sehnaz Oezden: Praktische Erfahrungen sind sehr wichtig. Ich würde Studierenden daher immer raten, vor dem Berufseinstieg einige Praktika zu absolvieren und lieber etwas länger zu studieren. Das ist für uns weniger problematisch. Aber: Die Verlängerung sollte natürlich nicht den Rahmen sprengen.

Ich arbeite als Personalchef in einem mittelständischen Unternehmen. In dem Stapel von Bewerbungen häufen sich die Schreiben von Bachelor-Absolventen - und ich kann nicht einschätzen, für welche Stellen diese infrage kommen könnten. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?

  • Sehnaz Oezden: Nach unseren Erfahrungen bringen Bachelor-Absolventen insgesamt eine gute fundierte Basis mit. Sie müssen lediglich in die Themen ihres künftigen Berufes eingearbeitet werden. Denn: Gerade am Anfang der Karriere ist es wichtig, junge Menschen nicht allein zu lassen, und sie durch gezielte Aus- und Weiterbildung auf die Herausforderungen im Job vorzubereiten - und zwar unabhängig vom Abschluss.

Ich habe gerade Abitur gemacht und frage mich, ob ich nicht erst einmal eine Ausbildung machen soll, um danach zu studieren. In diesem Zusammenhang habe ich viel über ein Duales Studium gehört – für welche Studienschwerpunkte eignet sich das und wie läuft es ab?

  • Sehnaz Oezden: Das duale Studium eignet sich sowohl für technische als auch kaufmännische Berufe und ist eine gute Alternative zum klassischen Universitätsstudium. Studienphasen werden dabei mit betrieblichen Ausbildungsphasen kombiniert. Die erlernten Kenntnisse können direkt im täglichen Geschäft angewendet werden. Wir bauen dabei auf unser eigenes Conti Bachelor Programm. Es ist international ausgerichtet und bereitet junge Menschen auf die Herausforderungen im Berufsleben vor. Die Conti Bachelor-Studierenden verbringen zum Beispiel bereits während ihrer Ausbildung eine gewisse Zeit an einem unserer ausländischen Standorte.

Auf welche Qualifikationen (Studiendauer, Sprachen, Praktika etc.) achten Sie besonders bei Bewerbungen von Bachelor-Absolventen?

  • Steffen Laick (Ernst & Young), für das globale Employer Branding verantwortlich, im Vorstand von QUEB (Quality Employer Branding e.V.) sowie Dozent für internationales Personalmanagement an der Hochschule in Ludwigshafen. Der Bewerber sollte ein allgemeines, breites betriebswirtschaftliches Wissen haben. Analytische Fähigkeiten, gute bis sehr gute Englischkenntnisse, Auslandsaufenthalte und natürlich Praktika sind uns weiterhin wichtig. Auch die Persönlichkeit spielt eine große Rolle. Bewerber sollten authentisch sein, sich also nicht verstellen, und Teamgeist sowie Lern- und Einsatzbereitschaft mitbringen.

Wie kann sich ein Bachelor-Absolvent - außer auf Firmenwebsites - über die Berufsperspektiven in einem Unternehmen informieren?

  • Carsten Franke (Jobstairs), Kommunikationswirt, Sprecher der Stellenbörse Jobstairs und Vorstand der milch & zucker The Marketing & Software Company AG, betreut Firmen zu den Themen Employer Branding, Personalmarketing Recruiting und Online-Jobbörsen. Möglichkeiten, sich zu informieren, finden sich auf Kontaktmessen wie zum Beispiel auf dem Absolventenkongress, außerdem mithilfe von Job- und Karriereportalen wie Jobstairs sowie natürlich auf den Karriere-Websites der Unternehmen selbst. Sehr gute Informationsquellen sind inzwischen auch Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu, wo Mitarbeiter ihren aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber bewerten können, sowie die sozialen Netzwerke, etwa Facebook oder Xing. Dort bekommt man zum Beispiel durch Videos und Kommentare der Mitglieder interessante Einblicke in die Unternehmen.

Können Sie als Sprecher der Online-Stellenbörse Jobstairs bestätigen, dass bei Unternehmen der Trend dahin geht, immer mehr Stellen für Bachelor-Absolventen auszuschreiben?

  • Carsten Franke: Ja, das beobachten wir in der Tat. Viele Unternehmen, vor allem größere Arbeitgeber mit mehr als 500 Mitarbeitern, haben sich des Themas angenommen und bieten spezielle Einstiegsprogramme, die sich auch an Bachelor-Absolventen richten.

Steigt denn umgekehrt auch der Anteil der Bachelor-Absolventen, die ihr Bewerberprofil bei Online-Stellenbörsen hochladen? Kann man ihre Zahl beziffern?

  • Carsten Franke: Weil die Absolventen sehen, dass die Unternehmen sich auf sie einstellen und ihnen den Einstieg erleichtern, laden sie auch zunehmend ihre Profile hoch. Bei Jobstairs macht der Anteil der von Bachelor-Absolventen eingestellten Profile derzeit 15 Prozent des Bewerberpools aus.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),